Scheibenkleister

Nach einer ruhigen Blogphase melde mich aus der Sommerpause zurück… in dieser Zeit hatte ich viel Gelegenheit, mich mit dem Thema Achtsamkeit auf das „Feinste“ bzw. im Intensivkurs zu beschäftigen. Denn vor 8 Wochen hiess es mit ziemlicher Wucht „Bandscheibenvorfall“. Dieser zwang mich wortwörtlich in die Knie, gekrümmte Haltung und für Wochen in die Unbeweglichkeit und auf das Sofa. Und so beschäftige ich mich stärker denn je mit dem Thema Achtsamkeit, diesmal in Bezug auf Schmerzen und Krankheiten.

Achtsamkeit = bewusst wahrnehmen ohne zu urteilen – theoretisch. Und praktisch bei Schmerzen? Den Schmerz bewusst wahrnehmen geht ohne Probleme und mit dem Urteilen bzw. Nicht-Urteilen geht es dann schon schwieriger. Jeder Schmerzakzent wird neu bewertet, „ist das jetzt besser oder schlimmer?“ und von Hier und Jetzt überhaupt keine Spur. Ganz ehrlich: die ersten Tage voller Schmerzen wollte ich von den soften Themen und der Achtsamkeit nichts hören … Auch eine gute Erfahrung zu spüren, wie es ist, wenn nichts mehr geht und die Schmerzen so dominierend sind… Dann aber, mit ein wenig Linderung und Beruhigung durch Schmerzmittel, wurde ich wieder offener für die Achtsamkeit. Was blieb mir auch? Ich konnte nichts weiter machen, außer ruhig zu bleiben, möglichst viel zu liegen und mich vor allen Dingen zu entspannen. Und dann wurde es spannend, das eigene Kopf- und Emotionskino zu beobachten: Gedanken zur Situation (ich will nicht bewegungsunfähig sein), zur Abhängigkeit von anderen und natürlich zur Selbständigkeit und wie es beruflich weiter geht. Hier hat es mal wieder geholfen, dies einfach nur zu beobachten, zu registrieren und weiterziehen zu lassen. Hallo „Innere Antreiber!“…

Und auf der anderen Seite kamen viele andere Aspekte hinzu und haben sich intensiviert. Was bedeutet es, achtsam einen Strumpf nach dem Anderen anzuziehen? Achtsam Zähneputzen und Duschen haben ebenfalls für mich eine neue Bedeutung gewonnen und ja, auf einmal freute ich mich darüber, die Spülmaschine zuerst aus- und dann gleich wieder einzuräumen, ohne zwischendurch mit schmerzverzerrtem Gesicht mich hinzulegen. Mittlerweile geht es mir deutlich besser, der Alltag hat mich nach und nach wieder. Und ich habe auch schon wieder „gearbeitet“ – wobei auch das im Review war – ab wann ist Arbeit Arbeit? Nur wenn ich bei Kunden bin und Workshops halte? Oder gilt es auch, im Rumliegen zu reflektieren oder auch einmal nichts zu machen? Dem Gras beim Wachsen zuzuschauen? Sowohl als auch… Und darf eine Trainerin für psychische Gesundheit und Stressmanagement überhaupt einen Bandscheibenvorfall haben? Fragen über Fragen, die für interessanten Gesprächsstoff sorgen… Fakt ist: Gesundheit ist immer möglich. Auch in der Bewegungslosigkeit und Schmerzhaftigkeit. Denn wir bewegen uns immer zwischen den Polen krank und gesund … und auch wenn ein Teil krank ist, können wir mit ganz vielen anderen Teilen gesund sein! Und allein durch Gedanken und eine tiefe Atmung für Gesundheit sorgen…

Die Achtsamkeit ist für mich zumindest wieder ein Mal super. Sie hat mir geholfen, die Situation zu akzeptieren und vor allen Dingen hat sie mich zu meinem Körper und seinen Bedürfnissen zurückgebracht. Die Bandscheibe ist so gut wie verheilt, jetzt geht es „nur“ noch darum, wieder Normalität in die Bewegungsabläufe zu bekommen. Achtsamkeit als Bandscheibenkleister.